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Esch-sur-Alzette, Europäische Kulturhauptstadt 2022, eröffnete im Herbst 2021 eine neue Kunsthalle mit einer großen Solo-Show des Künstlers Gregor Schneider. Unter dem Leitmotiv der Transformation ist Esch angetreten, die ehemalige Industriestadt, bis in den Zweiten Weltkrieg als Metropole der Eisenindustrie bekannt, nachhaltig zu verändern. Auch die Kunsthalle hat den transformativen Ansatz in ihrer DNA verankert. Ein ehemaliges Möbelhaus ist ihr Standort. Fortlaufend wird dieses durch Künstler und ihre ortsspezifischen Interventionen verwandelt, die Direktor Christian Mosar an die Alzette holt. Für Gregor Schneider weist die Luxemburger Region Analogien zu seiner Heimatstadt Mönchengladbach-Rheydt auf, einem Tagebaugebiet auf der Suche nach einer neuen Identität.

Der Kunsthistoriker und Kurator Raimund Stecker - von 1993 bis 2000 Direktor des Kunstvereins der Kunsthalle Düsseldorf - begleitet seit mehr als 30 Jahren die künstlerische Arbeit von Gregor Schneider und war als einer der ersten in Schneiders Haus u r in Mönchengladbach-Rheydt. Im Rahmen ihres fortlaufenden Dialogs und anlässlich der Ausstellung des Künstlers in Esch ist die Idee zu dieser Publikation entstanden.

Sein Untertitel mag kryptisch klingen, deckt aber profunde Seiten der Kunst Schneiders auf: Natascha Kampusch – Dr. Goebbels – Professor Schneider.

Raimund Stecker zieht Parallelen zwischen den Erinnerungen der Mieterin Hannelore Reuen, in Gregor Schneiders Haus u r und der Historie der über acht Jahre in einem Verlies bei Wien gefangenen Natascha Kampusch. Er beleuchtet die Nachbarschaft zwischen Schneiders Haus u r und dem Geburtshaus des NS-Propagandaministers Dr. Goebbels, auf dem 1945 weiße Kapitulationsfahnen gehisst wurden. Er kommt zu dem Schluss, dass Schneiders „Sammeln von Räumen“, dem immer ein Erforschen, Aneignen und Nachbilden vorausgeht, ein tiefgründiges forensisches Tun ist. Im Umgang mit dem Geburtshaus Goebbels sogar eines, das dem öffentlichen Umgang mit der deutschen Nachkriegszeit historisch voraus ist, weil noch immer die Aufarbeitung bis 1945 im Zentrum des Interesses steht. Deutschland wurde „befreit“, heißt es gleichsam zur eigenen Entlastung, so als ob niemand Nazi gewesen sei, dabei wurde doch Deutschland „besiegt“!

Gregor Schneider ist Professor für Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf, Raimund Stecker Professor für Kunstwissenschaft an der HBK Essen in Wuppertal. Die Moderatorin des Talks ist Sabine Maria Schmidt, Kuratorin in den Kunstsammlungen Chemnitz, Kunstkritikerin und Autorin.

Erhältlich in der Konschthal und online unter sternberg-press.com.